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Kommentar zum Verhalten führender Sportfunktionäre nach dem Wilhelmshaven-Urteil
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Kommentar zum Verhalten führender Sportfunktionäre nach dem Wilhelmshaven-Urteil

Autor: Alfred Kruhl, Sankt Augustin, am 18.10.2016
DIE FUSSBALLECKEEinige führende Sportfunktionäre konnten offenbar die noch ausstehende schriftliche Begründung nach dem Urteil des BGH vom 20.9.2016, mit dem der Zwangsabstieg des ehemaligen Regionalligisten SV Wilhelmshaven als rechtswidrig erklärt wurde, nicht abwarten und haben sich in verschiedenen Presseorganen zu Wort gemeldet.

Damit könnte der Eindruck entstehen, dass weder der Norddeutsche Fußball-Verband (NFV) als unmittelbar Unterlegener in diesem Verfahren, noch der Deutsche Fußballbund (DFB) – der gewissermaßen als Schirmherr dieses Verfahrens agierte – ein Interesse daran haben, in fairer Weise die Konsequenzen aus diesem Urteil zu ziehen und dem SV Wilhelmshaven als Gewinner dieses Rechtsstreits mit einem angemessenen Angebot entgegen zu kommen.

Betonten die Kontrahenten unmittelbar nach Verkündung des BGH-Urteils unisono in allen Medien, man wolle die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und sorgfältig analysieren, so schießen kurze Zeit danach zum Teil bizarre Meinungen ins Kraut.

In der „Wilhelmshavener Zeitung“ („WZ“ vom 12.10.2016) wurden verschiedene Aussagen führender Sportfunktionäre zu den Konsequenzen aus dem Urteil des BGH vom 20.9.2016 zitiert, die geradezu zu einer Gegenäußerung herausfordern.

Hier zunächst eine Auswahl der zitierten Meinungsäußerungen:
Regionalliga-Staffelleiter Jürgen Stebani „sah“ vorerst keine Wiedereingliederungs-Möglichkeit in die 4. Liga zur Saison 2017/2018 („WZ“ vom 23.9.2016) und bezweifelte zudem diese Möglichkeit auch aus ganz praktischen Gründen; schließlich sei der Verein ja auch sportlich abgestiegen.

Karl Rothmund, Präsident des Niedersächsischen Fußball-Verbandes, erklärte gegenüber der „Hannoverschen Allgemeinen“ („HAZ“ vom 29.9.2016): „Ich sehe die Chancen dafür, dass Wilhelmshaven wieder in die Regionalliga eingegliedert wird, als sehr gering an.“ (…) „Die Schadenersatzforderung des Vereins in siebenstelliger Höhe ist illusorisch.“ (…) „Wenn der Norddeutsche Fußballverband den Zwangsabstieg korrigiert und den Verein auf seinen sportlich erreichten Rang in der Tabelle eingliedert, steht Wilhelmshaven als seinerzeitiger Drittletzter immer noch auf einem Abstiegsplatz.“ (…)

Auch der Ursprung des Konflikts zwischen Verein und Verband – die nicht gezahlte Ausbildungsentschädigung in Höhe von 157.500 Euro – wird von K. Rothmund wie folgt noch einmal thematisiert: „Es geht nur noch darum, wie die Argentinier an ihr Geld kommen. Ich vermute, dass sie versuchen werden, einen Titel gegen den Verein zu bekommen.“

Auch DFB-Vizepräsident Dr. Rainer Koch erklärt im „Kicker“-Sportmagazin („Kicker“ vom 26.9.2016) kurz zusammengefasst folgendes: Sportlich abgestiegen, wirtschaftliche Voraussetzungen für die Regionalliga und die Oberliga nicht erfüllt, schlechte Chancen bei Versuch, sich über eine Einstweilige Verfügung wieder in die Liga einzuklagen. Weiter erklärt Dr. Koch im „Kicker“-Interview: „Mir geht es aber gar nicht so sehr um den konkreten Fall Wilhelmshaven, der in die Zuständigkeit des Norddeutschen Fußball-Verbands-NFV fällt.“ (…) “Wir haben nicht einfach FIFA-Weisungen umgesetzt, sondern Normen eines internationalen Regelungssystems eingehalten, das für alle Beteiligten gleichermaßen gilt…“ In diesem Zusammenhang  verteidigt Dr. Koch die nach dem o.a. BGH-Urteil zumindest noch umstrittenen Entscheidungen der FIFA-Disziplinarkommission und des CAS auf Zahlung der Ausbildungsentschädigung nach den FIFA-Statuten an zwei argentinische Vereine – die Auslöser des ganzen Rechtsstreits waren – als rechtmäßig.

Auf der Gegenseite setzt der Verein SV Wilhelmshaven – wie schon unmittelbar nach dem BGH-Urteil in Karlsruhe formuliert – weiter auf eine einvernehmliche Lösung mit dem Verband und vermeidet scharfe Antworten u.a. auf die „sachlich unzutreffenden Äußerungen“ Kochs. SVW-Aufsichtsrat Harald Naraschewski erklärt: „Ich kann mir derzeit nicht vorstellen, dass ein redlicher Verband zulässt, uns in der Luft hängen zu lassen. Schließlich ist über die Unrechtmäßigkeit des Zwangsabstiegs abschließend entschieden worden. Und da der Verein zu Unrecht mit Sanktionen belegt worden ist, können wir daraus einen Schadenersatzanspruch ableiten. Den Gründen nach steht unser Anspruch fest, der Höhe nach muss verhandelt werden. Und wenn der Verband nicht verhandeln will, dann werden wir ihn auf Trab bringen.“

Die nach dem Urteil des BGH, insbesondere von Verbandsvertretern, in der Presse geäußerten Stellungnahmen erscheinen kontraproduktiv für künftige Gespräche der Kontrahenten, zumal die schriftliche Urteilsbegründung des BGH nach wie vor nicht vorliegt und es abzuwarten gilt, was der BGH  zu einzelnen Tatbeständen konkret erklärt hat.

Dabei wird bei allen vorstehenden Stellungnahmen vollkommen außer Acht gelassen, dass der BGH mit seinem vorgenannten Urteil die vom Norddeutschen Fußball-Verband (NFV) gegen das Urteil des OLG Bremen vom 30.12.2014 eingelegte Revision zurückgewiesen und damit das Berufungsurteil des OLG Bremen im Ergebnis bestätigt hat. Ob sich der BGH in seiner Entscheidungsbegründung in wesentlichen Punkten der Urteilsbegründung des OLG Bremen anschliessen wird, steht noch dahin, solange die schriftliche Begründung noch aussteht.

Unter allgemein geltenden Rechtsgesichtspunkten ist jedoch unstrittig, dass durch die Zurückweisung der vom NFV eingelegten Revision gegen das Urteil des OLG Bremen automatisch die Entscheidung der Berufungsinstanz – in diesem Fall Urteil des OLG Bremen vom 30.12.2014 – an Bedeutung gewinnt. Studiert man eingehend die Urteilsbegründung dieses Gerichts, sieht die Sache für die Sportverbände FIFA, DFB und NFV weniger rosig aus.

Hier eine Auswahl der Entscheidungsgründe des OLG Bremen, das sehr detailliert zu dem gesamten Fragenkomplex Stellung genommen und u.a. für Recht erklärt hat, dass 
  • in der Satzung des NFV zur Verhängung von Sanktionen eine ausreichende Ermächtigung fehlt;
  • die FIFA-Bestimmungen zur Zahlung einer Ausbildungsentschädigung in Form von Pauschalen, die der den Spieler verpflichtende Verein an den abgebenden Club zu zahlen hat, gegen nationales und europäisches Recht verstoßen;
  • der vom SVW seinerzeit verpflichtete argentinische Spieler Sergio Sagarazu auch die italienische Staatsbürgerschaft besitzt und damit nach EU-Recht seinen Beruf frei wählen durfte und somit für ihn die FIFA-Bestimmungen nicht zur Anwendung kommen dürfen; 
  • damit die Entscheidungen der FIFA-Disziplinarkommission und des CAS nicht mit EU-Recht vereinbar sind;
  • der DFB das Recht nach Art. 17a Abs. 2 seiner eigenen Satzung nicht wahrgenommen hat, die Entscheidung des CAS zu überprüfen und notfalls zurückzuweisen, weil die CAS-Entscheidung gegen zwingendes nationales und europäisches Recht verstößt.
Als Quintessenz bleibt zum gegenwärtigen Zeitpunkt festzuhalten: Es sollte zwischen den streitenden Parteien unstrittig sein, dass dem SVW durch den widerrechtlich verhängten Zwangsabstieg Unrecht widerfahren ist. Allein daraus ergibt sich ein Wiedergutmachungsanspruch des Vereins. Wenn jetzt über Art und Höhe einer Entschädigung gestritten wird, sollten beide Parteien aufeinander zugehen, das Gespräch miteinander suchen und unsachliche Äußerungen und Vorfestlegungen vermeiden. DFB und NFV täten gut daran, baldmöglichst dem SV Wilhelmshaven ein faires Angebot zu machen.

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Der Verfasser dieses Berichts hat die rechtliche Auseinandersetzung des SV Wilhelmshaven mit den Sportverbänden von Beginn an verfolgt und zum Teil durch eigene Recherchen begleitet. K. nimmt nach seiner Pensionierung seit Jahren in Fachaufsätzen zu allgemeinen tagespolitischen Ereignissen Stellung. Er ist und war im Übrigen nie Mitglied des SV Wilhelmshaven.







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