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DIE FUSSBALLECKE
SV Wilhelmshaven gegen Sportverbände: Keine Einigung in Sicht
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SV Wilhelmshaven gegen Sportverbände: Keine Einigung in Sicht

Autor: Alfred Kruhl, Sankt Augustin, am 18.12.2016
DIE FUSSBALLECKE
DFB und NFV lehnen Forderungen des ehemaligen Regionalligisten ab

Das Treffen von Vertretern des SV Wilhelmshaven (SVW) und des Norddeutschen Fußball-Verbandes (NFV) am 15.12.2016 in Oldenburg brachte in der unterschiedlichen Bewertung beider Seiten – welche Rechtsfolgen aus den Urteilen des OLG Bremen vom 30.12.2014 (II U 67/14) und des BGH vom 20.09.2016 (II ZR 25/15) zu ziehen sind – keine Einigung. Die Forderungen des SVW auf Wiedereingliederung seiner 1. Fußballmannschaft in die Regionalliga Nord und Ausgleich des materiellen Schadens wurden von Verbandsseite abgelehnt.

Auf der DFB-Pressekonferenz am 16.12.2016 in Frankfurt erläuterte Heiko Petersen als Vorsitzender des Verbandsgerichts des NFV die Haltung des NFV und des DFB dahingehend, dass es auch nach der Entscheidung des BGH – der den Beschluss des NFV zum Zwangsabstieg des SVW für nichtig erklärt hatte – eine Wiedereingliederung in die Regionalliga Nord nicht geben könne. „Die Entscheidung über den Zwangsabstieg war nicht ursächlich für den Abstieg, denn der Verein ist bereits alleine aus sportlichen Gründen abgestiegen.“ Hinsichtlich der Schadenersatzforderung des SVW in finanzieller Form müsse der Verein belegen, „dass er ohne den Zwangsabstiegsbeschluss des NFV besser stünde als mit“, beschreibt der DFB auf seiner Webseite seine Sichtweise und liefert dafür seine Ansicht gleich mit: „Dem ist aber nicht so.“

Dazu stellt der SVW in einer Stellungnahme vom 16.12.2016 unter anderem fest:

„Mit seiner Stellungnahme negieren der DFB und die für ihn handelnden Personen wider besseres Wissen das rechtskräftige und vom BGH am 20.09.2016 bestätigte Urteil des OLG Bremen vom 30.12.2014.

Das OLG Bremen hat in seiner Entscheidung vom 30.12.2014 unter II. 1 e) zur Zulässigkeit der vom SVW erhobenen Feststellungsklage auf den Einwand des NFV, der SVW sei sportlich abgestiegen, so dass das Feststellungsinteresse des SVW entfallen und die Klage damit unzulässig sei, folgendes ausgeführt:

Dieses Interesse ist entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht deswegen entfallen, weil die betroffene Mannschaft schon aus sportlichen Gründen abgestiegen wäre. In der Tat befand sich die erste Herrenmannschaft zum Abschluss der Saison 2013/14 auf dem drittletzten Tabellenplatz der – nach der damaligen und heutigen Gliederung der Ligen viertklassigen – Regionalliga Nord und damit auf einem der drei Abstiegsplätze mit einem Punkt Rückstand und einem um zwei Tore schlechteren Torverhältnis zur nächst höheren Mannschaft. Eine Erledigung des Streits um die Wirksamkeit des Zwangsabstiegs käme aber allenfalls in Betracht, wenn feststünde, dass die vom Zwangsabstieg betroffene Mannschaft auf jeden Fall aus sportlichen Gründen abgestiegen wäre. Hierfür hat der Beklagte nichts dargelegt und dem steht entgegen, dass mit dem Beschluss des Beklagten vom 13.01.2014 über den Zwangsabstieg die Motivation der Mannschaft für die restliche Rückrunde weitgehend entfallen sein dürfte.

Diese Beurteilung des OLG Bremen ist mit der Revision des NFV nicht angegriffen worden. Daher brauchte sich der BGH mit dieser Frage nicht mehr zu beschäftigen, so dass die diesbezügliche Begründung der OLG-Entscheidung insoweit bestehen geblieben ist.

Im Übrigen trifft es auch nicht zu, dass die Anordnung des Zwangsabstiegs durch das Präsidium des NFV am 13.01.2014 keine negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb gehabt hätte. Ab diesem Zeitpunkt gab es keinen Wettbewerb mehr für die Mannschaft des SVW, weil der Zwangsabstieg feststand und jedes Spielergebnis unerheblich war.

Auch muss der SVW entgegen der Auffassung des DFB – wie aus der Begründung des Urteils des OLG Bremen eindeutig ersichtlich – nicht beweisen, dass er ohne den Zwangsabstieg nicht abgestiegen wäre. Vielmehr ist es umgekehrt so, dass der NFV hätte darlegen und beweisen müssen, dass der SVW auch ohne den Zwangsabstiegsbeschluss abgestiegen wäre. Diesen Beweis hat er im Verfahren vor dem OLG Bremen nicht geführt.

Damit steht rechtskräftig und höchstrichterlich entschieden fest, dass weder
a) dem Zwangsabstieg noch

b) dem sportlichen Abstieg (wegen des irregulären Saisonverlaufs insbesondere aufgrund der fehlenden Motivation der Mannschaft durch den Zwangsabstieg)

eine Bedeutung zukommt.

Die sich aus dem für nichtig erklärten Zwangsabstieg und dem für bedeutungslos erklärten sportlichen Abstieg ergebende Rechtsfolge ist die, dass der SVW weiterhin Mitglied des NFV und daher – vorbehaltlich der Zulassung am Zulassungsverfahren – befugt ist, am Spielbetrieb in der Regionalliga Nord teilzunehmen.

Die vom SVW geltend gemachten Schadenersatzansprüche ergeben sich aus § 249 BGB. Nach dieser Vorschrift hat der Schädiger denjenigen Zustand wieder herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtete Umstand nicht eingetreten wäre.

Zusammenfassend bleibt festzustellen, dass die Erklärungen des DFB in seiner Pressemitteilung bezüglich einer Schadenersatzpflicht des NFV objektiv falsch sind und ersichtlich den Zweck verfolgen, die Öffentlichkeit unzutreffend zu unterrichten.“

Soweit die auszugsweise wiedergegebene Stellungnahme des SVW zu der Presseerklärung des DFB vom 16.12.2016.

Wie geht es nun weiter?

Aufgrund der sichtbar gewordenen unterschiedlichen Positionen steht zu befürchten, dass der Streit über die Rechtsfolgen vor weiteren Gerichtsinstanzen ausgetragen wird. Dazu hat der Aufsichtsratschef und Rechtsanwalt des SVW Harald Naraschewski im Interview mit Radio Bremen unter anderem erklärt: „Wir würden den ordentlichen Rechtsweg wieder beschreiten und unsere Schadenersatzforderung einklagen.“ Dazu gehöre auch die Wiedereingliederung in die Regionalliga. „Der einzige Punkt über den man sich unterhalten könnte, ist die Höhe des Schadens. Da sind wir gesprächsbereit. Ich halte es für eine Bringschuld von NFV und DFB, die Dinge in Ordnung zu bringen.“

Fazit:

Es drängt sich dem neutralen Beobachter der Eindruck auf, dass die Verbandsvertreter in diesem Rechtsstreit mit allen Mitteln versuchen, selbst höchstrichterliche Urteile nicht in ihre Entscheidungsfindungen einfließen zu lassen. Fakt ist dagegen, dass schon die Urteile der Verbandsgerichte und des CAS in der Grundsatzfrage – Verurteilung des SVW zur Zahlung einer Ausbildungsentschädigung nach den FIFA-Statuten in Höhe von insg. 157.500 Euro an die beiden argentinischen Vereine – höchstrichterlichen Entscheidungen nationaler Gerichte und des EuGH widersprachen. Der BGH hat in seinem Urteil vom 20.09.2016 die eindeutige Feststellung des OLG Bremen zur Frage der Ausbildungsentschädigung („Die FIFA-Bestimmungen zur Zahlung einer Ausbildungsentschädigung in Form von Pauschalen, die der den Spieler verpflichtende Verein an den abgebenden Club zu zahlen hat, verstoßen gegen nationales und europäisches Recht“) offen gelassen. Dazu heißt es in der Begründung des BGH: „Ob das Entschädigungssystem der FIFA – worauf das Berufungsgericht (Anmerkung: OLG Bremen) abgestellt hat – in seiner konkreten Ausgestaltung mit Blick auf die zu Art. 45 AEUV ergangene Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union Bestand hätte, ist für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits unerheblich und kann daher vom Senat offen gelassen werden.“

Nach Auffassung der Sportverbände soll das Sportrecht als unantastbares Rechtsinstitut neben der ordentlichen Gerichtsbarkeit eigenständig bestehen. Dieser Ansicht soll offensichtlich jede Stellungnahme der Verbandsvertreter untergeordnet werden. Unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten eine makabre Vorstellung angesichts der sich inzwischen andeutenden Rechtsentwicklung.

NFV, DFB und letztlich auch die FIFA laufen durch ihre unnachgiebige Haltung Gefahr, einen noch viel größeren Imageschaden zu erleiden als bereits jetzt schon geschehen. Wenn es den führenden Vertretern der Sportverbände darum geht, in der Auseinandersetzung mit dem SVW die öffentliche Meinungsführerschaft zu erringen, sollte man sich zumindest an gegebenen Fakten orientieren. Rechtsvertreter von Sportverbänden, die nicht bereit sind, sich an Recht und Gesetz zu halten, verlieren meines Erachtens ihre Legitimation, ein öffentliches Amt zu bekleiden.



Der Autor hat den Rechtsstreit des SV Wilhelmshaven mit den Sportverbänden von Beginn an verfolgt und durch eigene Recherchen begleitet. Er schreibt seit Jahren regelmäßig Beiträge in Fachzeitschriften zu aktuellen Themen.








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